Review: Star Trek Online (Open Beta)

Badlands

Die Badlands in Star Trek Online sind völlig harmlos - symptomatisch für das Spiel.

Hinweis: Dieser Artikel bezieht sich auf die Open Beta von Star Trek Online. Den Bewertungen in diesem Review liegen also Fakten zu Grunde, die sich in der Zwischenzeit verändert haben können. Eine aktualisierte Review erscheint hier Ende Juli anlässlich des Season 2-Updates.

Eins mal vorneweg: World of Warcraft habe ich nie gespielt. In meinen ersten Studienwochen habe ich aus nächster Nähe miterleben dürfen, dass man nicht gut gleichzeitig Skillpunkte im Nachkampf und Linearer Algebra sammeln kann. In der Regel bekommt man ersteres und verpennt letzteres.

Auch bin ich kein Freund von Monatsgebühren, Zusatzbezahlinhalten, Aktivierung, DRM, personengebundene Accounts und die Abhängigkeit von einem Onlineserver. Ich mag meine guten, alten Stand-Alone-Titel, für die man nichts weiter braucht, als die Spiel-CD oder –DVD um sie auch nach 5 Jahren wieder unkompliziert durchspielen zu können (so gerade wieder mit „Star Trek: Bridge Commander“ geschehen). Und wenn man’s doch mal mit ein paar guten Freunden zocken will, ist dass in der Regel auch kein Problem. Selbst wenn die Originalserver schon lange tot sind, beleben Hamatchi und der LAN-Modus fast jedes Spiel wieder zum Online-Leben.

Also überrasche ich sicher niemanden damit, wenn ich sage, dass ich dem ganzen „Star Trek MMORPG“-Projekt sehr skeptisch gegenüberstand. Und die Entwicklung lief ja auch nicht ganz problemlos über die Bühne.

Es war einmal…

Konzeptzeichnung Doomsday Machine von Perpetual

Konzeptzeichnung der Doomsday Machine von Perpetual

Da war zunächst die bis dato unbekannte Firma Perpetual. Diese entwickelte STO seit 2004. Unter dem Designteam von Perpetual arbeiteten unter anderem die Star Trek-Veteranen Mike Okuda für das neue LCARS-Interface des 24. Jahrhunderts, John Eaves, Designer der Enterprise-E und NX-01 und Andy Probert, u.a. Designer der Enterprise-D, des Romulanischen Warbirds (TNG) und des Ferengi Marauders. Damit hatte Perpetual einige der wichtigsten Köpfe aus dem Produktionsumfeld von Star Trek versammelt. Diese Schachzug hätte garantiert, dass sich die zwangläufig nötigen neuen Spielelemente sich nahtlos in den bestehenden Star Trek-Canon eingefügt hätten.

Star Trek Online Teaser

Star Trek Online Teaser Website

Es sollte jedoch anders kommen, 2008 ging Perpetual endgültig das Geld aus, nachdem die Firma schon die Entwicklung eines parallel entstehenden MMORPG aus finanziellen Gründen eingestellt hatte.

Danach hing das Projekt in der Luft und Gerüchte machten die Runde, dass die Lizenz attraktiv genug sei, um von einem anderen Entwicklerteam übernommen zu werden. Nach monatelanger Funkstille gab das bislang ebenfalls recht unbekannte Studio Cryptic bekannt, an dem Titel zu arbeiten, allerdings ohne den Code von Perpetual weiterzuentwickeln.

Cryptic Studios Logo

Cryptic Studios

Cryptic hatte sich mit „City of Heroes“ einen Namen für solide MMORPG-Kost gemacht, sich aber Marvel über die Realisation von „Marvel Universe Online“ zerstritten (der Titel ist inzwischen als „Champions Online“ erschienen).

Nun soll STO am 02.02.2010 offiziell starten und seit einigen Monaten läuft die Beta-Phase des Spiels. Inzwischen kann daran jeder Interessierte mit ein wenig Glück und Geduld teilnehmen, indem man einen der knappen Zugangsschlüssel von diversen Webseiten ersteht. Dafür darf man ungefähr ein Drittel der Planeten ansteuern, die in der Verkaufsversion vorhanden sein sollen und bis zum 16. von 50 Leveln hocharbeiten. Beide Beschränkungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt im Betatest aufgehoben werden.

Brot und Butter

Der Wächter der Ewigkeit

Durch den Wächter der Ewigkeit schreiten Sie bereits im ersten Viertel des Spiels.

Der Spieler muss nach dem Zusammenklicken eines Alter Ego zunächst ein Tutorial absolvieren, indem er an der Zurückschlagung einer Borg-Flotte (!) mitwirkt. Anders als z.B. im Shooter „Elite Force“ ist den Cyborgs aber herzlich egal, wie oft Sie mit welcher Waffe auf sie feuern. Nach zwei bis drei Phasertreffern, kippen die Drohnen dann auch um. Im Finale des Tutorial zerstören mehrere Spieler sogar einen Kubus. Wie gesagt, alles in den ersten Minuten Spielzeit. Danach gibt es von der Sternenflotte füllig Story-, Kampf- und Erkundungsaufträge, die Sie abwechselnd in den Weltraum, auf Planeten oder in das Innere von Schiffen und Stationen schicken. Im Weltraum gilt es meist, X Raumschiffe zu zerstören und/oder Y Objekte zu scannen. Auf Außenmissonen gibt es außer „zerstöre X“ und „scanne Y“ zusätzlich seltene Multiple-Choice Diplomateneinsätze, in denen sie in der richtigen Reihenfolge NPCs abklappern müssen.

Derweil sammeln Sie Erfahrung, Ausrüstung, Raumschiffteile und Brückenoffiziere, dank derer Sie Ihre Kampfstärke erhöhen und das Scannen beschleunigen können. Sie und Ihre Offiziere erhalten getrennt Erfahrungspunkte, so dass Sie sowohl sich als auch Ihre Begleiter ständig weiterbilden können. So lernen Sie, besser zu zielen, das Angriffsmanöver Alpha auszuführen und ihre Kollegen heilen, bauen bei Außeneinsätzen Schildemitter auf und saugen gegnerischen Schiffen die Schildenergie ab.

Gamma Orionis

Durch das Transwarpnetzwerk gelangen Admiralsspieler nach Gamma Orionis - Borg-Territorium

Alle zehn Level winkt die nächste Beförderung und damit der Zugriff auf die nächstgrößeren Raumschiffe. Starten Sie als Lieutenant auf einer Fregatte der Miranda-Klasse, winken als Lt. Commander die Nova-, Saber- und Constitution-Pötte. In jeder Größenklasse (außer der ersten), gibt es diese drei Schiffstypen, die sich für die drei Spezialisierungsrichtungen Wissenschaft/Medizin (blau), Taktik (rot) und Technik (gold) unterschiedlich gut eignen. Und ja, dieses Farbschema impliziert: Es gibt wieder die sprichwörtlichen Red-Shirts, während die Kommando-Karriere (TOS gold/TNG rot) im Spiel nicht zu wählen ist.

Massively Solo Online

Eine Kristalline Entität

Der Kampf gegen die Kristalline Entität ist eine der wenigen Gelegenheiten, sich mit anderen Spielern zusammenzuschließen.

Nun spiele ich die STO seit den letzten Tagen der geschlossenen Beta-Phase und muss sagen, dass es einen gemischten Eindruck hinterlässt. Mir ist zum Beispiel nach wie vor nicht völlig klar, warum das Spiel MMO sein muss, also zwangsläufig mit vielen anderen zusammen online gespielt werden muss und deswegen eine Monatsgebühr von 13 Euro rechtfertigt.

Die längste Zeit kommt man prima alleine klar. Es gibt nur seltene Situationen, die Mitspieler erfordern, darunter nichts, dass auch durch eine andere Balance oder mit brauchbaren KI-Kollegen zu meistern wäre. Im Gegenteil: je mehr Leute zusammen spielen wollen, desto größer werden die Probleme.

Da wäre zum Beispiel des Erkunden unbekannter Welten, das schlicht und ergreifend nur alleine möglich ist. Aber auch beim einfache Wechsel von einem Areal zum anderen ist nicht immer gewährleistet, dass alle Team- oder Flottenmitglieder in der gleichen Instanz landen. Und dann gibt es da noch das chronisch überlastete PvP-System, bei dem man sich eine gute halbe Stunde im Voraus anmelden muss, bevor man spielen kann.

Technik

Deep Space Nine

Deep Space Nine ist einer der fünf Spielerknotenpunkte im Spiel.

Aber auch wenn man gar nicht zusammen spielen will, können sich viele Spieler auf der gleichen Karte leicht in die Quere kommen. So ist es bei durchschnittlich 40 Spielern in einer Raumdock-Instanz oder einer Sektor-Karte es nicht möglich, das Inventar flüssig zu benutzen. Das Anlegen eines neuen Ausrüstungsgegenstandes kann locker 10 Sekunden dauern. In der Zwischenzeit fragt man sich unwillkürlich, ob das Spiel den Befehl „vergessen“ hat.

Das sind zwar augenscheinlich nur Infrastrukturmängel, die man auf den Beta-Status des Spiel schieben mag. Aber wenn zwei Wochen vor dem Verkaufsstart noch keine vernünftige Serverinfrastruktur verfügbar ist, wundert man sich schon.

Auch die allgemeine technische Performance des Spiels lässt zu wünschen übrig. Die Außenmissionen erfordern Crysis-Hardware, sehen aber nicht unbedingt so aus, während die Weltraumszenen sich mit weniger Leistung begnügen. Das häufige und oft unnötige Laden zwischen diesen Szenarien beansprucht aber auch die Geduld des Spielers. So beamt man sich nach dem Ende einer Außenmission zurück auf’s Schiff im Orbit, nur um vom Admiral eine Textnachricht (außer im Tutorial gibt es keine Sprachausgabe) , dass man die Karte zur Sektorübersicht (erneutes Laden) verlassen kann.

Sie haben die Brücke!

Doomsday Machine

Beim Kampf (beinahe) unzerstörbare Doomsday Machine kommt Gänsehautstimmung auf.

Aber nun auch ein Wort zu den guten Seiten von „Star Trek: Online“. Die Weltraumkämpfe sind eine echte Wonne. Zwar zeigen die am Anfang wenig mehr Tiefgang als bei dem Gurkenspiel „Star Trek: Legacy“, aber durch ständig stärkere und größere Gegnerflotten wird man sachte dazu gezwungen, immer mehr und mehr Spezialfähigkeiten der Brückencrew einzusetzen. Auch das Umleiten von Energie von den Waffen in den Antrieb sollte jeder Captain im richtigen Moment beherrschen, sonst fliegt ihm der Pott um die Ohren.

Den meisten Spaß macht es aber, den für die jeweilige Kampfsituation günstigsten Kompromiss für den nächsten Anflugwinkel zu bestimmen. Dabei muss ein erfolgreicher Kommandant die Stärke der einzelnen Schilde am eigenen und gegnerischen Schiff bedenken, sowie die Ausrichtung der eigenen und gegnerischen Waffensysteme. Dann wird noch mal schnell auf die Tasten geprügelt, um die instabilsten Schildsegmente mit der Energie der übrigen zu verstärken und schon fliegen wieder Photonen-, Quanten und Chronitontorpedos durchs Vakuum.

Wenn man dann nach vier bis fünf nervenaufreibenden Vorbeiflügen nur noch zwei funktionierende Schilde und 20% Hüllenintegrität übrig hat, ist die Genugtuung um so größer, wenn das letzte feindliche Schiff (hoffentlich in sicherem Abstand) in einer Warpkernexplosion verschwindet.

Außenteam: Nur für Captains

Feuerhöhlen

In den Bajoranischen Feuerhöhlen müssen sie den Endkampf des dritten Storyfadens ausfechten.

Leider sind die Außeneinsätze dazu das dröge Gegenteil. Auch wenn Gegner von vorne weniger Schaden nehmen, als von der Seite oder Hinten, und man sich Hinknien kann, um die eigene Angriffsstärke zu erhöhen, fehlen hier die taktischen Optionen, mit deren geschickter Beherrschung man das Blatt in einen scheinbar verlorenes Gefecht wieder wenden könnte. Im Wesentlichen beschränkt sich ein Feuerwechsel auf das rythmische Drücken der primären und sekundären Feuerknöpfe, es sei denn, es kommt schon wieder mal ein Targ herbeigestürmt – das bekommt eins mit dem Phasergewehrkolben drübergezogen.

Auch gut gelöst ist das Schatzsystem. Jedem Spieler werden die Schätze direkt zugeteilt, kein anderer kann durch größere Schnelligkeit mehr Beute machen. Jedenfalls bei den besiegten Gegnern ist das so. Wenn man aber eine Sensoranomalie vor den anderen Mitspielern findet, behält man die Wissenschaftlichen Daten, die man für das verbessern herkömmlicher Ausrüstung in besseres Equipment benötigt, und die anderen gehen leer aus.

Alle guten Dinge…

Hauptbrücke

Auf der Hauptbrücke gibt es leider nichts zu tun.

Was bleibt als Fazit? „Star Trek: Online“ ist ein mittelmäßiges Action-Rollenspiel, das mich im Bodenkampf an „Dungeon Siege“ und im All an „Star Trek: Starfleet Command“ erinnert. Die Weltraumgefechte machen definitiv Spaß und lassen sich über TeamSpeak auch sehr gut koordinieren, der Bodenkampf artet oft in Chaos oder dumpfen Grabenkrieg aus. Die Lizenz ist prinzipiell zu verarbeitet, nur die „Seele“ atmet das Produktionsdesign nicht. Die neuen Raumschiffe sehen bis auf Ausnahmen zu verspielt aus, die Ausrüstung scheint aus „Mass Effekt“ importiert worden zu sein.

Die technischen Mängel sind noch gravierend. Im Vergleich zur Beta müsste sich die Performance von Server vervielfachen, um nicht negativ aufzufallen, auch die Grafikengine könnte gerne 50%-100% schneller rechnen. Als Solo-Spiel mit Multiplayer-Option wäre es allemal wegen des Umfangs jedoch 50€ Anschaffung wert. Ob man aber auf den Cryptic-Server, der bisher noch jeden Tag mindestens zwei Stunden ausgefallen ist, tatsächlich angewiesen sein und monatlich 13€ entrichten will, sollte man sich gründlich überlegen.

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