Review: Star Trek (2009)

Star Trek Filmplakat

Star Trek Filmplakat

Seien wir ehrlich miteinander: An einen „Star Trek“ lege ich andre Maßstäbe an, als an einen beliebigen anderen Film. Ich bin schneller enttäuscht, weil die Erwartungshaltung höher ist. So habe ich „Star Trek: Der Aufstand“ erst zwei Jahre nach seiner Veröffentlichung zu mögen begonnen. Selbst mit dem fantastischen „Der Erste Kontakt“ musste ich erst langsam warm werden. Also vielleicht fällt mein Urteil in sechs Monaten milder aus, aber am Tag nach der Premiere sind das Folgende meine Gedanken. Für alle die, die den Film noch nicht gesehen haben, ist verrät die Besprechung absichtlich fast nichts über den Inhalt bis auf wenige Einführungsszenen aus den ersten zehn Minuten.

Fangen wir mit dem Positiven an. Die Charaktere sind umwerfend gut geschrieben und gespielt. Keine Sekunde lang musste ich mich überwinden, Pine als Kirk, Quinto als Spock oder Urban als McCoy zu erkennen. Ein Geniestreich ist Simon Pegg als Montgomery Scott. Die Besetzung der Rolle mit dem Engländer, bekannt durch diverse Komödien, erschien mir ein gewagtes Spiel. Die Rechnung ist jedoch völlig aufgegangen. Auch insgesamt betrachtet ist die neue Besatzung ihren Vorgängern mindestens ebenbürtig.

Neben den schauspielerischen Qualitäten besticht Orci und Kurtzmans Drehbuch durch ein sehr gutes Gespür für diese seit fast zwanzig Jahren abwesenden Charaktere. Wenn Kirk die Kobayashi Maru im Simulator rettet, kann man nicht anders, als an jenen Apfel zu denken, den Kirk Jahrzehnte später in einer gewissen Genesis-Höhle genießen wird. Überhaupt sind den Charakteren viele Gesten und Zitate auf den Leib geschrieben, die sie unverwechselbar machen.

Einzig die Interpretations Sareks gibt dem Zuschauer Rätsel auf. Keine Spur von Ablehnung gegenüber Spock, kein Bedauern über dessen menschliches Erbe. So gehen Vater und Sohn irritierender Weise geradezu liebevoll miteinander um. Sogar über Gefühle darf unter diesen beiden Vulkaniern offen geredet werden. Spocks gespaltenes Verhältnis zu seiner Herkunft beruht daher im Film nicht auf der Missbilligung seines Vaters sondern seiner Diskriminierung auf Vulkan – ebenfalls eine verwunderliche Idee des Drehbuchs.

Mit dem Drehbuch gibt es allerdings noch viel gravierendere Probleme als die Abweichung von zahlreichen fest etablierten Details. Es ist ein zusammengeschustertes und zurechtgebogenes Flickwerk von Handlung, das gerade so notdürftig eine Zeitreisegeschichte zusammenhalten kann. Einziger Zweck dieser fragilen Konstruktion: Leonard Nimoy in den Film einzubauen und den „harten Reboot“ alá Battlestar Galactica als alternative Zeitlinie/Realität tarnen zu können.

Genau das verbirgt sich nämlich hinter dem versprochenen „Friedensangebot“ für all jene Trekkies, die ein Problem damit haben, dass J.J. Abrams und seine Crew sich nicht der drückenden Last des „Kanons“ herumschlagen und alles anders machen wollen. Die Zeitreise zerstört das seit 43-Jahren mehr oder minder aufrecht erhaltene Kontinuum und verändert alle Geschehnisse ab der Geburt von James Kirk. Und die so gewonnene Freiheit wird von Orci und Kurtzman in vollen Zügen genossen. Fast unnötig zu sagen, dass ein sauberer Schnitt mit klarer Ansage die bessere Lösung mit einer potentiell besseren Rahmenhandlung gewesen wäre.

Aber zurück zu den positiven Seiten des Films: Die Spezialeffekte sind traumhaft schön. ILM hat gute Arbeit geleistet. Im Gegensatz zu dem, was in vielen Besprechungen zu lesen ist, übertrifft der Film dabei aber nicht die Arbeit an „Star Wars Episode III“, ist aber auf gleicher Augenhöhe. Der Weltraum sieht (leider) bis auf die handlungstragenden schwarzen Löcher besser aus als je zuvor auf der Leinwand. Und technisch ist auch der Rest der Spezialeffekte einwandfrei sein riesige Budget wert gewesen.

Auch wenn die Ausführung fantastisch ist, so gefallen mir eine Vielzahl von kreativen Entscheidungen nicht. Das setzt sich von den Spezialeffekten über die Maske und die Kulissengestaltung zum Schnitt und der Beleuchtung fort. Denn zeitlos ist dieser Film ganz bestimmt nicht. Wenn ich „Star Trek: Der Film“ und „The Next Generation“ immer noch ansehen kann, dann liegt dies an einigen sehr geistreichen kreativen Entscheidungen, die diesen Film und diese Serie sehr alterungsbeständig und glaubwürdig machen.

J.J. Abrams jedoch bombardiert den Zuschauer mit einer Filmkunst, die gerade en vouge ist: Die Brücke ist mit blinkenden Lichtern und rückprojizierten animierten und holographischen Anzeigen vollgestopft, während der Maschinenraum dem Vernehmen nach im Wesentlichen aus einer umdekorierte Brauereianlage besteht. Und im neuen Transporterraum müssen die Mitglieder des Außenteams auf Kuppeln balancieren, weil eine ebene Plattform der MTV-Generation wahrscheinlich zu langweilig gewesen wäre. In fünf bis zehn Jahren schon wird es lächerlich wirken, so wie die mit Röhrenmonitoren vollgestopfte Voyager-Brücke dies schon in heutigen Wiederholungen tut.

Besonders jedoch macht mit die völlige Überbelichtung mancher Szenen mit Linsenreflektionen zu schaffen. Nicht nur eine, sondern gerne auch mal vier Lichtquellen tanzen mit ihren Regenbogenartefakten über die Leinwand. Kombiniert mit einem rasanten Schnitt sorgt es dafür, dass man in manchen Stellen förmlich am Folgen des Geschehens gehindert wird. Hätte es was genutzt, hätte ich so manches mal die Hand zur Hilfe genommen, nur um nicht mehr geblendet zu werden und endlich einmal einen klaren ruhigen Blick erhaschen zu können.

Natürlich haben Stimmen Recht, die fordern, dass „Star Trek“ zeitgemäßer werden muss. Ja, es wäre undenkbar gewesen, auf etwas ähnlichem wie der Originalbrücke in einem 150-Mio.-Dollar-Streifen zu drehen. Aber die Wahl der Mittel ist die zweite Frage. So finde ich es zum Beispiel zweifelhaft, den ersten „Star Trek“ gesehen zu haben, der es tatsächlich schafft, an mindestens drei Stellen Product Placement zu betreiben. Und dann auch noch für Produkte, die es in 250 Jahren hoffentlich nicht mehr geben wird.

Neben der Präsentation stört und schmerzt mich aber eines am Meisten. Und das ist die flache, stumpfe bunt aufgepeppte Naivität, mit welcher J.J. Abrams glaubt, Gene Roddenberrys humanistischen Optimismus erfolgreich eingefangen zu haben. Kein einziger Konflikt dieses Films ist nicht-emotional. Roddenberry hätte beim Blick auf das Drehbuch seine berühmt-berüchtigte Frage gestellt „Worum geht es in der Geschichte?“. J.J. wüsste sicher zu antworten: „Ein großes Abenteuer, ein Spaß für die Ganze Familie, es passieren viele großartige Dinge.“ Und Roddenberry hätte erwidert: „Nein, ich möchte wissen ‚worum’ es geht, nicht wie du es verpackst.“

Es geht in Abrams Film um nichts. Nichts außergewöhnliches, keine originelle Idee, gar nichts. Weite Teile der Handlung sind erschreckend parallel zu dem inzwischen als Sargnagel gebrandmarkten Vorgänger „Nemesis“. Und der hatte wenigstens zwei Dialoge, in denen es „um etwas“ ging. „Star Trek“ ist Zuckerguss. Helle, kräftige Farben, eine heitere Grundstimmung, viele Lacher, ein paar rührende Momente. Aber der tiefgründigste moralische Nenner auf den sich der Film bestenfalls bringen lässt lautet: „Genozid ist böse“. Danke J.J. Abrams, aus der Perspektive habe ich da noch nie drüber nachgedacht.

Was für ein Fazit kann man also ziehen? Von meinen sechs Mit-Gucker (dabei echte Trekkies und absolute Nicht-Fans) waren fünf hellauf begeistert. Ein Publikumserfolg wird es sicher werden, ein Kritikerliebling mit einer überragenden Punktzahl auf RottenTomatoes ist der Film bereits. Für Trekkies jedoch, die sich nicht von heute auf morgen von über vierzig Jahren Film-Historie trennen mögen, wird es ein bittersüßer Kinobesuch.

Dieser Beitrag erschien zuerst für den „TrekZone Weekend #2453“.

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